„Purple America?“- Das Wahljahr 2008 in den USA – Vortrag von Dr. Andrew Denison am Geschwister-Scholl-Gymnasium
Die politische Farbenlehre in den Vereinigten Staaten von Amerika ist klar und unkompliziert – ganz anders als z.B. in Deutschland, wo das Rätselraten um mehr oder weniger machbare Ampelkoalitionen immer wieder für Verwirrung sorgt. Rot steht in den USA für die Republikaner bzw. die „Republican Party“ mit dem Elefanten als Emblem, die Partei von Präsident George W. Bush, dessen Nachfolger im Amt am 4. November dieses Jahres gewählt wird. Blau steht für die Demokraten bzw. die „Democratic Party“ mit dem Esel als Symboltier.
Das System der amerikanischen Präsidentschaftswahlen und vor allem der Kandidatenkür in den beiden Parteien ist recht kompliziert. Nicht so, wenn Dr. Andrew Denison es erklärt.
Dr. Andrew B. Denison ist selbständiger Analyst und Publizist, spezialisiert auf den Bereich Außen- und Sicherheitspolitik im nordatlantischen Raum. Er erhielt seinen Ph.D. an der Nitze School of Advanced International Studies der Johns Hopkins Universität in Washington D.C.; seinen Magister an der Universität Hamburg und seinen „Bachelor of Arts“ an der University Wyoming. Seine Aufgaben reichen von wissenschaftlichen Forschungsaufträgen bis zur politischen Bildung. Seit 2000 ist er Direktor des Think Tank Transatlantic Networks, Königswinter.
Auf Einladung des Deutsch-Amerikanischen Instituts Saarbrücken besuchte der promovierte Politologe jetzt das Saarland. Mit finanzieller Unterstützung der Union-Stiftung Saarbrücken konnten ihn drei Gymnasien im Lande als Referenten gewinnen, und so war er am 12. März auch am Geschwister-Scholl Gymnasium zu Gast.
In einem 90-minütigen Vortrag in Englisch erklärte er seinen hoch konzentrierten Zuhören nicht nur das System der Präsidentschaftswahlen in den USA und die mit großem Medieninteresse seit Anfang Januar laufenden Vorwahlen („primaries“). Er analysierte auch die Hintergründe im Nationalbewusstsein der Amerikaner, ihre Erwartungen an den mächtigsten Mann / die mächtigste Frau im mächtigsten Land der Welt.
Dass Amerika nicht blau oder rot sondern violett (englisch „purple“) sein will und damit über alle Parteigrenzen hinweg „vereinigt und stark“, ist ein Denkmuster, auf das der Referent seine Zuhörer ausdrücklich hinwies:
Die meisten Amerikaner sehnen sich nach dem Gegenteil von George W. Bush. Alle hoffen auf ein besseres Amerika – wie schon immer. Amerikaner wollen (wieder) mehr Einheit – unter sich und mit der Welt. Nicht „Blaue Staaten“ oder „Rote Staaten“, sondern die Vereinigten Staaten; dies ist mehr als nur ein Wahlspruch von Barack Obama.
(vgl. newsletter_080204.pdf von transatlantic-networks)
Ein längeres Zitat aus dem genannten Newsletter soll die Denkart und den Stil von Dr. Denison verdeutlichen:
„Im bunten Gemisch der Bundesstaaten zählt vor allem, wer besser mobilisieren kann. Es geht um „ground war“ und „air war“ in dieser hoch geopolitischen Auseinandersetzung. Der Bodenkrieg findet Tür zu Tür statt – um Menschen persönlich davon zu überzeugen, wählen zu gehen. In der Luft heißt es Radio und Fernsehen, 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche. Der politischen Werbung kann man derzeit nicht entrinnen. (…)
Aber Mobilisierung heißt auch die Mobilisierung von Geld. 2008 fließt mehr Geld als je zuvor in den Wahlkampf bis zum 4. November: 3 Milliarden Dollar und mehr sagen Wirtschaftszeitschriften wie Fortune oder Economist. Wofür dieses viele Geld? Geld ist Mittel und Zweck der Mobilisierung; Geld vor allem, um Nichtwähler zu motivieren, sie dazu zu bringen, doch noch die Wahlurne (oder Caucus-Versammlung) zu besuchen. Ist es nur Zufall, dass auch die politische Beteiligung steigt? Geld mobilisieren muss nicht nur ein Wahlkämpfer – es ist auch eine zentrale Aufgabe des Regierens (…).
Neues Amerika
Die Welt will ein neues Amerika. Amerika will der Welt entgegenkommen, so heißt es von allen Anwärtern des hohen Amts. Der Republikaner Mike Huckabee aus Hope, Arkansas geht so weit, die Außenpolitik von George W. Bush als „arrogant bunker mentality“ zu beschreiben.
„So viel Zusammenarbeit wie möglich, so viel Alleingang wie nötig“. Dieses alte amerikanische Prinzip zum Umgang mit der Welt bedeutet heute etwas anders als in den Tagen und Monaten nach 9/11. Sorgen über Alleingänge dieser gigantischen Großmacht sind verständlich. Auch in einer Zeit der relativen Schwäche sind die USA einmalig in ihrem Einfluss. Amerikaner machen nur 300 Millionen (+1 Million Einwanderer pro Jahr) der 6.8 Milliarden Erdbewohnern aus, aber sie haben Einfluss-im Guten und im Schlechten. Etwas weniger als ein Viertel der Weltwirtschaft macht Amerikas 14 Billionen großer Marktplatz aus. Wertschöpfung und Ideenreichtum haben natürlich mit mehr als Geld zu tun. Die bedeutsamste Drehscheibe der Welt bleiben die USA aber alle Mal.
Der Krieg im Irak? Wo bleibt er als Wahlkampfthema? Es sterben weniger Soldaten.
Den alten Streit über Bush´s Außenpolitik kann man, will man, beiseite lassen. Nineeleven steckt noch in den Köpfen und die Welt bleibt gefährlich – aber die Rückbesinnung auf „Innere Angelegenheiten“ steht vorerst im Vordergrund.
Republikaner und Demokraten sind weitgehend einig, dass die Zahl der amerikanischen Truppen in Irak nach unten gehen muss. Wie schnell oder langsam, wie „verantwortlich“ oder nicht, sind dann die Details-die undiskutiert bleiben. In diesem Sinne ist auch nicht mehr so entscheidend, ob man (oder Frau) die nötige Erfahrung hat, Oberbefehlshaber der stärksten Militärmacht der Welt zu sein.
Weltweite Sorgen über Alleingänge dieser gigantischen Großmacht sind verständlich. Auch in einer Zeit der relativen Schwäche ist die USA einmalig in ihrem Einfluss. Amerika genießt aber den Vorteil, dass die meisten Menschen dieser Welt immer noch lieber mit Amerika agieren als dagegen. Es ist auch ein Vorteil, wennAmerikaner meinen, dies sei kein Selbstverständnis. Die Rhetorik der Vorwahlen 2008 gibt hier Hoffnung.
Die amerikanische Verwandlung geht weiter. Mit einem neuen Präsidenten ab Dienstagmittag, dem 20. Januar 2009 sieht Amerika anders aus. Ob Republikaner oder Demokrat, die Amtseinführung des neuen Präsidenten bedeutet: Neue Menschen, neue Energie, neuer Anfang. Honeymoon und First Hundred Days werden die Gemüter bewegen, die Hoffnung animieren.“ © www.transatlantic-networks
Herr Denison schloss seinen Vortrag mit einem Ausblick auf eine PAX TRANSATLANTICA, die aus der PAX AMERICANA erwachsen könne und solle.
Das Verhältnis zwischen den USA und Europa definierte er dann so:
· America wants an open Europe.
· America needs a strong Europe.
· We sometimes fear our own power, so we need a reality-check.
· America wants Europe to be engaged in the world.
· We are soul sisters and brothers, after all.
Nicht nur die gespannten Schüler der Jahrgangsstufe 13, die an diesem Tag ihre Zeugnisse bekommen hatten und eigentlich schon in den Osterferien waren, verfolgten diesen kompetenten und kurzweiligen Vortrag mit höchstem Interesse. Auch die anwesenden Oberstufenschüler der Jahrgangsstufe 11 bzw. 12 waren fasziniert.
Als kleines Dankeschön überreichte Frau Luzia Bauer dem Referenten im Namen der Schule ein Exemplar des Buches „Alles über Paris“ von Ulrich Wickert. Im Namen der anwesenden Englischlehrer gab es von Herrn Robert Klein eine Flasche Pinot Gris aus dem Elsass. Den versteckten Hinweis auf die nicht zu unterschätzende Rolle der deutsch-französischen Freundschaft für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik griff Herr Denison beim anschließenden gemeinsamen Mittagessen im Eppelborner Hof gerne auf. Die Vorzüge der französischen Küche weiß auch er zu schätzen. Die Tischgesellschaft unterhielt er ganz nebenbei mit viel Esprit und köstlichen Anekdoten (u.a. aus dem Wilden Westen). Wahrhaften Pioniergeist bewies er dann auch bei der Auswahl seines Menüs.
Was für ein Tag!
Für „die Dreizehner“ an ihrem letzten Schultag sicherlich ein „Super Wednesday“!
Robert Klein
Empfehlenswerte LINKS:
· http://www.transatlantic-networks.de/
· Deutsch-Amerikanisches Institut Saarbrücken e.V.: http://www.dai-sb.de/
· Union Stiftung e.V. Saarbrücken: http://www.unionstiftung.de/
· TIME Magazine: http://www.time.com/time/magazine
http://thepage.time.com/
· The New York Times: http://www.nytimes.com/
http://query.nytimes.com/search/query?query=Presidential+Election+of+2008&d=&o=&v=&c=&n=10&dp=0&daterange=full&srchst=m&sort=newest
· http://www.barackobama.com/
· http://www.hillaryclinton.com/
· http://www.johnmccain.com/
Als freischaffender Experte für Politikanalyse mit Schwerpunkt USA und transatlantische Beziehungen ist Dr. Andrew Denison u.a. in folgenden Sendungen zu sehen und zu hören: Presseclub (ARD), 1910 (3sat), ZDF Mittagsmagazin, Phoenix, Quergefragt, Hart aber fair, Tacheles, verschiedene Radiosender.