Jugend debattiert – mein Weg nach Berlin
Von Charlotte Kalmes
Wenn ihr mal Zeit habt, dann geht doch zum Raum N210. Da geht es nämlich nicht mit rechten Dingen zu, denn der Raum ist an allem schuld! Hier hat Jugend debattiert für mich angefangen….
Am 20.02.2018 versammelten wir, d.h. insgesamt 8 Schüler unserer Klassenstufe, uns aufgeregt in diesem Raum, mehr oder weniger bereit, um uns argumentativ mit jedem anderen zu messen. Die Teams wurden per Losentscheid aufgeteilt und in jeder Gruppe die Positionen Pro 1 und 2 sowie Contra 1 und 2 vergeben. Dann begannen die beiden parallel verlaufenden Debatten zum Thema „Soll auf eine Notengebung im Fach Sport verzichtet werden?“. Nach deren Abschluss wurden nach Rückmeldung durch die Jury die Finaldebattanten verkündet. Ich hatte alles erwartet, aber nicht, dass ich es ins Finale schaffe. Nachdem das nächste Thema und die Positionen klar waren, begann die Vorbereitungszeit für die nächste Runde: „Soll für Minderjährige ein Smartphone-Führerschein eingeführt werden?“ Im Anschluss an die abwechslungsreiche Diskussion zogen sich die Juroren zur Beratung über die endgültige Platzierung zurück, es kehrte gespannte Ruhe ein. Endlich wurden die Gewinner verkündet und ich hatte tatsächlich den Schulwettbewerb mit dem 1. Platz für mich entschieden. Die nicht zu umgehende Folge: der Regionalentscheid. Am 27.02.18 war es soweit und Melissa Pelk (8S), Maximilian Gunkel (8LNS) und ich fuhren zusammen mit Herrn Müller und Herrn Öhrlein zur Gemeinschaftsschule Marpingen. Nach einer kurzen Begrüßung ging es sofort los mit der Vorbereitung für die erste Debatte: „Soll an deutschen Bahnhöfen Videoüberwachung mit Gesichtserkennung eingeführt werden?“. Ich muss gestehen, als ich sah, dass die anderen Teilnehmer Mappen voller getippter Reden bei der Vorbereitung nutzten, bekam ich mit meinen handschriftlich bekritzelten Notizblättern das Gefühl, sehr schlecht vorbereitet zu sein. Trotzdem lief die Runde nicht schlecht. Das zweite Thema „Sollen auf öffentlichen Grünanlagen Sportgeräte für die Allgemeinheit zugänglich aufgestellt werden?“ sprach mich persönlich weniger an und so ging ich mit einem sehr schlechten Gefühl aus dieser Runde. Als es zur Verkündung der Finalisten kam, saß ich eher gelangweilt auf meinem Platz, wobei sich diese Entspanntheit sofort in stechende Nervosität verwandelte , als mein Name bei den Finaldebattanten auftauchte. Dann ging alles Schlag auf Schlag: ehe ich mich versah, stand ich hinter dem Rednerpult der Contra-Seite und schaute in viele erwartungsvolle Gesichter. Das Finalthema lautete: „Sollen Geschäfte sonntags geöffnet haben?“. Die Debatte verlief beinahe hitzig, man merkte, wie jeder alles daran setzte, Bester zu werden. Nach Ende der Diskussion bekam ich, auf das Urteil der Juroren wartend, von einigen Zuhörern sehr positive Resonanz und meine Nervosität stieg auf ein für mich bis dahin unbekanntes Maß. Dann war die Siegerehrung und ich wurde Zweite. Ich bekam mit einem Päckchen Hustenbonbons und einer Tulpe auch die Einladung zum Weiterbildungsseminar in Homburg und natürlich die Daten für den Saarlandwettbewerb.
Das Seminar zur Weiterbildung war lehrreich und informativ. Alle Teilnehmer hatten erwartet, dass uns die trockene Theorie in den Schädel gehämmert werden würde, doch dem war überhaupt nicht so. Spielend, scherzend und mit ganz viel Spaß lernten wir alles Wichtige. Leider musste ich das Seminar aufgrund einer Erkrankung am dritten Tag verlassen und das Nachholen der Schularbeiten und die Vorbereitungen für den Saarlandwettbewerb waren anstrengend, so dass ich den gesamten Spaß an der Sache zu verlieren begann. Durch die Grippe war alles so stressig, dass ich mir beinahe wünschte, nicht weiter zu kommen. Am 22.03.2018 kamen zwei meiner Freunde, Herr Müller und ich – immer noch angeschlagen und nervös wie noch nie – auf dem Halberg in Saarbrücken an, wo der Wettbewerb stattfand. Zum Glück kannte ich alle Teilnehmer von unserer Seminarzeit. Der Zeitplan war eng getaktet und kaum war man irgendwo angekommen, um sich vorzubereiten oder auszuruhen, musste man schon wieder weg. Die erste Debatte, die Hinrunde, mit dem Thema „Soll eine Kennzeichenpflicht für Fahrräder eingeführt werde?“ verlief für mich nicht sehr erfolgreich und mein Gefühl wurde durch die ausgehängten Punktzahlen bestätigt: Ich hatte nur 30 von 60 Punkten erreicht. Dafür lief aber die Rückrunde „Sollen retuschierte Modelfotos gekennzeichnet werden?“ um einiges besser und ich erhielt 50 Punkte. Mit insgesamt also 80 Punkten kam ich als drittbeste ins Finale. Weder aufgeregt noch nervös ging ich in die Vorbereitung, denn der 4. Platz, den ich hatte erreichen wollen, war mir ja sicher. Vor ungefähr 200 Zuschauern und wichtigen Personen in der Jury begann ich meine Debatte auf Position Pro 2. Obwohl ich als „Lateiner“ eigentlich contra bin, war ich froh, bei Thematik „Soll an allen saarländischen weiterführenden Schulen Französisch als 1. Fremdsprache eingeführt werden?“ auf der Pro-Seite debattieren zu können, da es deutlich mehr Pro- als Contra-Argumente gibt. Nachdem ich meine Eröffnungsrede, die mir am meisten Angst bereitete, hinter mir hatte, entspannte ich mich zusehends und konnte die Debatte mit Spaß führen. Ich glaube, dass meine Lockerheit und der Spaß an der Diskussion einen großen Teil dazu beigetragen haben, dass ich Erste und damit Saarlandmeisterin geworden bin – ein im wahrsten Sinne des Wortes unglaubliches Gefühl! Ich durfte ein Fernsehinterview für SR 3 geben und wurde auch von „Unser Ding“ zum Beantworten einiger Fragen ins Studio eingeladen. Ich bin selbst stolz auf mich, da ich so ein Ergebnis nie von mir erwartet hätte.
Im Mai hatte ich ein sehr schönes, 5-tägiges Weiterbildungsseminar auf Burg Rothenfels in der Nähe von Würzburg. Neben dem hochkarätigen Unterricht gab es tolle Freizeitaktivitäten, wie z.B. ein bunter Abend oder der sehr interessante Besuch des Herausgebers des Feuilletons der FAZ, Jürgen Kaube. Außerdem hatte ich die Möglichkeit meine Debattengegner aus den anderen Bundesländern kennenzulernen, wobei auch die eine oder andere Freundschaft entstand.
Ungefähr 2 Wochen vor dem Wettbewerb erhielt ich zur Vorbereitung die 3 Debattenthemen für den Bundeswettbewerb:
„Sollen Kinderrechte ins Grundgesetz aufgenommen werden?“
„Sollen sich Krankenkassenbeiträge am persönlichen Krankheits- und Verletzungsrisiko orientieren?“
„Soll die Bundesregierung darauf verzichten, die WM in Russland zu besuchen?“
Zusätzlich zu dem Schwierigkeitsgrad der Themen fiel die Vorbereitung in die Zeit der letzten Klassen- und Kursarbeiten. Außerdem arbeitete ich an der Ausarbeitung für die Debatten im Gegensatz zu den anderen Teilnehmern autark.
Am 14. Juni fuhr ich mit meinen Eltern schon los nach Berlin und dort angekommen folgten wir erst einmal der Einladung der CDU-Abgeordneten Nadine Schön: sie hatte für uns nämlich eine kleinen Privatführung durch den Bundestag organisiert. Durch eine an diesem Tag stattfindende verlängerte Fraktionssitzung war es mir leider nicht möglich, Fr. Schön persönlich kennenzulernen.
Im Hotel stand Jugend debattiert erst einmal im Hintergrund: die Wiedersehensfreude war riesig und bei dem überaus vortrefflichen Essen wurde geplaudert, gescherzt und gelacht. Danach wurden die Debattenpläne veröffentlicht und man konnte mit seinen Debattenpartnern das Thema noch einmal erörtern. Dabei wurde schnell klar, dass der Wettbewerb im Vordergrund stand und hier mit „härteren Bandagen“ als bei den vorhergehenden Wettbewerben gekämpft wurde.
Ich war also Freitagmorgen bis aufs Höchste angespannt. Zudem hatte ich die schwere Position Pro 1 gezogen und die Debatte verlief für mich grauenvoll, ich hatte einen richtigen Blackout. Bis heute habe ich das Gefühl, dass das die bisher schlimmsten 24 Minuten meines Lebens waren. Doch ich ließ mich nicht entmutigen und bereitete mich mit einem Eis als Nervennahrung noch einmal konzentriert auf die nächste Debatte vor.
Diese verlief deutlich besser und ich hatte Spaß dabei. Abends gab es nach der Verkündung der Finalisten noch ein tolles Buffet und ich war unfassbar froh, nicht bei den Gewinnern der Vordebatten zu sein, in Vorbereitungsquarantäne sitzen zu müssen und einfach die restliche Zeit mit anderen Teilnehmern verbringen zu können. Wir genossen zusammen nochmal den Aufenthalt in dem Hotel und machten den ein oder anderen Spaziergang, um die letzte verbleibende Zeit miteinander zu nutzen.
Samstagsmorgens fuhren dann alle Teilnehmer zur Urania, wo das Bundesfinale stattfand. Die Debatten waren auf einem sehr hohen Niveau und die Veranstaltung wurde von einem tollen Programm umrahmt. So spielte z.B. die Band „Duke Brass“, die Gewinner von Jugend musiziert.
Insgesamt war es für mich, alles in allem betrachtet, ein großartiges Erlebnis und das Wiedersehen der tollen Menschen und die großartigen Erfahrungen wiegen mehr als der Sieg. Außerdem bin ich sehr stolz, dass ich ohne größere Unterstützung soweit gekommen bin und in Berlin am Bundeswettbewerb teilgenommen habe.