Während einer vom Adolf-Bender-Zentrum St. Wendel organisierten Lehrfahrt haben sich Schüler und Lehrer des Geschwister-Scholl-Gymnasiums in Lebach auf Spurensuche für ihr Projekt „Stolpersteine“ gemacht, um in Hadamar das Schicksal von behinderten Menschen aus Lebach und Umgebung während der nationalsozialistischen Herrschaft zu erforschen.
„Mensch, achte den Menschen“
Diese Worte begegnen den Besuchern der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Hadamar, die heute eine Bildungsstätte für Jung und Alt ist, auf Schritt und Tritt.
Während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurden hier in den Kellerräumen der Heil- und Pflegeanstalt Hadamar von Januar bis August 1941 im Rahmen der als „T4“ getarnten Tötungsaktion mehr als 10 000 Menschen mit geistigen oder psychischen Behinderungen vergast und im Krematorium verbrannt.
In der Zeit danach ging das NS-System dann wegen aufkommender Proteste von kirchlicher Seite dazu über, den gewaltsamen Tod behinderter Menschen durch Überdosierung von Medikamenten oder durch Mangelernährung herbeizuführen. Die Angehörigen, die sich durch die Behandlung in Hadamar Hilfe für ihre Angehörigen erhofften, erhielten kurz nach deren Einlieferung einen Standardbrief, mit dem sie über den „unerwarteten“ Tod ihres Angehörigen informiert wurden.
Während einer Führung durch die ehemaligen Untersuchungs- und Kellerräume erfuhren die Besucher, dass der diensthabende Arzt schon bei der ca. 2-minütigen Untersuchung der Patienten aus einer Liste von Todesursachen eine für die Angehörigen glaubwürdige Ursache auswählte.
Für alle Teilnehmer der Fahrt war es besonders bedrückend zu erfahren, dass die Nationalsozialisten ihre Morde als „Gnadentod“ für die betroffenen Menschen rechtfertigten.
Ebenso emotional war die Akteneinsicht, da man genau sehen konnte, wie menschenverachtend und gefühllos die nationalsozialistischen Ärzte und Gutachter mit den Kranken umgegangen sind.
Am zweiten Tag lernten die Teilnehmer Herrn Scherer kennen, dessen Bruder 1944 mit elf Jahren in Hadamar ermordet worden ist. In einem aufwühlenden Interview, das Herr Scherer gab, nachdem er die Akte seines Bruders eingesehen hatte, ermahnte er alle Teilnehmer der AG „STOLPERSTEINE“ dafür zu sorgen, dass die brutalen und menschenverachtenden Taten der Nationalsozialisten niemals vergessen werden und dass solch ein Regime nie mehr an die Macht kommen wird.
Ein weiterer bewegender Moment war der Gang über den Friedhof, wo viele kranke Menschen, die in der Heil- und Pflegeanstalt ermordet worden waren, in Massengräbern beigesetzt worden sind. Hier zündeten die Teilnehmer der Lehrfahrt eine Kerze für Marlies Löb an, die ebenfalls in Hadamar ermordet worden ist und deren Bruder vor kurzer Zeit am Geschwister-Scholl-Gymnasium war, um Schülern der Klassenstufe 10 über das Schicksal seiner Schwester und seine persönlichen Erfahrungen mit dem nationalsozialistischen Regime im Saarland zu berichten.
Ein knappes Resumee dieser Lehrfahrt zu ziehen ist nicht einfach, die gewonnenen Eindrücke waren emotional nur schwer zu verarbeiten. Schlussendlich sollten die Worte, denen man in Hadamar an den unterschiedlichsten Orten begegnen kann, immer in der Erinnerung der Teilnehmer bleiben und gleichzeitig zu einer Verpflichtung für deren zukünftiges Handeln werden: „Mensch, achte den Menschen“.
A. Collet-Müller